Religion betrifft uns alle. Unabhängig, wie sehr wir unseren Glauben leben oder meinen, überhaupt einen zu haben, hat dieser großen Einfluss auf das Zusammenleben in einer pluralen Gesellschaft und damit auch auf Unternehmen. Zahlreiche gesellschaftliche Regelungen und Bräuche, Feiertage und Gesetze, die ihren Ursprung in den diversen Religionen haben, prägen unser Handeln und unsere unmittelbare Umwelt. Und somit sind auch Unternehmen dazu aufgerufen, adäquat mit Fragen aus dem Bereich der „Religion und Weltanschauung“ umzugehen.
De facto wird das Thema Religion im Unternehmenskontext nur bedingt als relevant erachtet: Nur 24 Prozent der von brainworker 2018 befragten Führungskräfte aus 105 Betrieben gaben an, dass Religion und Weltanschauung „sehr relevante“ oder „eher relevante“ Aspekte ihres Diversity Managements sind.i
Die Zugehörigkeit zu einer Religion und der Glaube sind für die meisten Menschen ein nicht unwesentlicher Bestandteil ihrer Identität. Zwar steigt die Anzahl der Menschen ohne Bekenntnis in Österreich seit Jahren an, jedoch prägt Religion die Gesellschaft an sich, etwa was den Kalender, Brauchtümer oder Feiertage anbelangt. Auch Menschen, die keiner Religion angehören, leben religiöse Bräuche und Feste, beispielsweise Weihnachten, und richten ihr Handeln auf Basis ihnen zugrunde liegender, oft ursprünglich religiös geprägter Werte aus.
Die Mitgliedszahlen der in Österreich vertretenen Religionsgemeinschaften ändern sich laufend, weshalb eine Auseinandersetzung mit Religion für Betriebe immer bedeutender wird, will man nicht auf wichtige Arbeitskräfte, aber auch Kundenpotenziale verzichten.
Auch nicht-religiöse Weltanschauungen, seien es Lebensstile, Einstellungen oder etwa Ernährungsweisen, spielen sowohl im sozialen als auch im betrieblichen Miteinander zunehmend eine zentrale Rolle. Deren Wertschätzung und Berücksichtigung wird heutzutage vor allem von jungen Beschäftigten eingefordert. Wollen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber auch von diesen Gruppen volle Leistungsbereitschaft, so ist ein entsprechend sensibler und professioneller Umgang mit diesen Erwartungshaltungen wesentlich.
Unternehmen, die sich nicht scheuen auch die Dimension „Religion und Weltanschauung“ zu einem Bestandteil ihres Diversity Managements zu machen, profitieren von einer offeneren Kultur im betrieblichen Miteinander und einer höheren Leistungsbereitschaft sowie vielen zusätzlichen Potenzialen.
Religion betriebsintern zu thematisieren, bereitet Unternehmen oftmals Unbehagen, wird als reine Privatsache oder als zu konfliktbelastet angesehen und deshalb oft nicht im Rahmen des Diversity Managements berücksichtigt. Allerdings finden sich in einer aktiven Beschäftigung mit und Wertschätzung von religiösen Zugehörigkeiten und Weltanschauungen der Beschäftigten Vorteile, die Sie nutzen sollten!
War Österreich immer stark von der katholischen Glaubenszugehörigkeit geprägt, so verändern sich seit geraumer Zeit die prozentualen Anteile aller Glaubensgemeinschaften hierzulande stetig. Nicht nur die Zahl der Mitglieder anderer als christlicher Religionen steigt, auch jene der Menschen ohne Bekenntnis. Soll das ganze Potenzial an möglichen Beschäftigten erschlossen werden, ist es wichtig, sich als Arbeitgeberin bzw. Arbeitgeber offen für andere Religionen zu zeigen und einen entsprechend sensiblen Umgang damit zu pflegen. Das eröffnet eine große Zahl an potenziellen Arbeitskräften!
Wertschätzen Unternehmen alle Beschäftigten, ungeachtet ihrer religiösen Zugehörigkeit, und nehmen auf deren Vorlieben, Bräuche oder Praktiken Rücksicht, so sorgt das auch dafür, dass diese im Arbeitsalltag zu einer höheren Leistung bereit sind.
In vielen Bereichen beeinflusst der eigene Glaube auch das Kaufverhalten stark. Dies betrifft einzelne Warengruppen, z.B. im Lebensmittelhandel, ebenso wie das erhöhte Einkaufsvolumen von Produkten aller Arten anlässlich von religiösen Festivitäten. Durch das Berücksichtigen und Einbeziehen religiöser Traditionen in Ihr Marketing und Ihre Verkaufsstrategie lassen sich zusätzliche Umsätze generieren.
Wird darauf geachtet, dass Beschäftigte unterschiedlicher Religionszugehörigkeiten und Weltanschauungen wertschätzend und offen miteinander umgehen, dann sorgt das für ein besseres Betriebsklima und weniger Konflikte untereinander.
Eine globalisierte Wirtschaftswelt verlangt von Unternehmen und deren Beschäftigten die Entwicklung interkultureller Kompetenzen. Nur Personen und Unternehmen, die sich gezielt und wertschätzend mit anderen Kulturen auseinandersetzen, deren Spezifika, Vorlieben und Bräuche kennen, verstehen und entsprechend sensibel damit umgehen, können in einem internationalen Kontext adäquat reagieren und dadurch erfolgreich sein.
Die Wahl und Ausübung der eigenen Religion bzw. des eigenen Glaubens ist eine individuelle und sehr private Angelegenheit, gleichzeitig hat Religion aber eine große Auswirkung auf das Berufsleben und die Gesellschaft an sich.
In Österreich besteht Religionsfreiheit. Jede Person darf also ab dem vollendeten 14. Lebensjahr selbst entscheiden, welcher Religion sie angehören will, wie sie diese ausüben will und ob sie das Glaubensbekenntnis wechseln will. In Österreich gibt es derzeit 16 anerkannte Kirchen und Religionsgemeinschaften und neun staatlich eingetragene religiöse Bekenntnisgemeinschaften, die jedoch im Unterschied zu den anerkannten Kirchen keine Körperschaft öffentlichen Rechts sind:iii
Stand September 2019
Denkt man an Religion, hat man meist die großen Weltreligionen im Kopf. Abgesehen davon, dass es mehr als diese gibt, werden Angehörige einer Religion zudem schnell als eine homogene Gruppe gesehen. Dabei sagt die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft noch nichts über die Ausübung und Bedeutung der eigenen Religiosität aus. Sowohl bei Christen, Muslimen, Juden und anderen Religionsangehörigen gibt es Unterschiede, wie wichtig den einzelnen Gläubigen religiöse Regeln und Riten sind und wie sehr diese aktiv gelebt und praktiziert werden. Zudem forcieren einseitige, mediale Berichterstattungen über einzelne Religionen Vorannahmen und Ängste.
Der Wunsch religiöser Menschen, am Arbeitsplatz beten zu können, wird meist nur in Zusammenhang mit muslimischen Gläubigen thematisiert. Doch auch bei Christen und Menschen anderer Glaubensrichtungen findet sich dieses Bedürfnis. So gibt es in Deutschland rund 70 Unternehmen wie zum Beispiel Siemens, Continental, Bosch, Daimler, BASF, Volkswagen, Lufthansa, IBM, BMW – um nur einige zu nennen – mit christlichen Firmengebetsgruppen.v Im Rahmen dieser freiwilligen Vereinigungen kommen Menschen aus unterschiedlichen Glaubensrichtungen in der Firma zusammen, um gemeinsam für die Belange des Betriebes oder auch für persönliche Anliegen zu beten.
In österreichischen Unternehmen ist der Umgang mit Fragen der Religion und Weltanschauung sowie den diesbezüglichen Wünschen und Bedürfnissen der Belegschaft kaum Thema.
Religionsfreiheit umfasst auch, dass niemand aufgrund seiner Glaubensentscheidung benachteiligt oder verfolgt werden darf. Einige Untersuchungen hingegen, etwa jene, die von der Johannes-Kepler-Universität (JKU) in Linz 2016 durchgeführt wurdevi, zeigen ein anderes Bild, wie in der Praxis mit der Religionsfreiheit umgegangen wird.
Im Rahmen der genannten Studie wurden 1.474 Bewerbungen versendet, wobei in je einem Drittel der Unterlagen das Foto und der Name der sich fiktiv bewerbenden Dame verändert wurden. Die Quote der erfolgreichen Bewerbungen (hier ausgedrückt als Prozentsatz der Einladungen zu einem Vorstellungsgespräch im Verhältnis zur Anzahl der ausgesendeten Bewerbungen) spricht für sich selbst:
Abbildung 1 Prozentanteil der erfolgreichen Bewerbungen im Rahmen der Studie „Discrimination against Female Migrants wearing Headscarves“, 2016
Vor allem sichtbare Zeichen der ethnisch-religiösen Zugehörigkeit, etwa ein Kopftuch, aber auch lediglich ein fremdländischer Name, der mitunter die Zugehörigkeit zu einer bestimmten (Religions-)Gruppe vermuten lässt, haben starken Einfluss auf Chancen im Berufsleben. So hatte die Dame mit ausländisch klingendem Namen und Kopftuch bedeutend weniger Einladungen (4,2 Prozent) zu einem Vorstellungsgespräch erhalten als etwa die Dame mit österreichischem Namen und Foto (18,8 Prozent) bzw. die Dame ohne religiöse Kopfbedeckung (13,5 Prozent).
Um wichtige Potenziale an möglichen Arbeitskräften (aber auch Kundinnen und Kunden) zu nutzen, reflektieren Sie Ihre eigenen gedanklichen Bilder und machen Sie sich bewusst, welche Auswirkungen die eigenen Annahmen über Religion möglicherweise auf Ihre Personalentscheidungen haben können.
Das AMS verfügt über einen Leitfaden, welche Arbeitstätigkeiten im Sinne welcher Glaubensrichtungen „zumutbar“, also vereinbar mit den Grundsätzen der jeweiligen Religion sind.
Sie finden den AMS-Leitfaden unter:
http://www.forschungsnetzwerk.at/downloadpub/AMS-FRA_leitfaden_Vielfalt_Respekt_2017.pdf
Auch wenn in Österreich Kirche und Staat getrennt sind, so hat gerade das Christentum nach wie vor großen Einfluss auf die hiesige Gesellschaft. Von insgesamt 13 Feiertagen, die in Österreich offiziell als solche im Gesetz definiert sind, haben zehn christlichen Ursprung. Nur der 1. Jänner, der 1. Mai und der 26. Oktober sind keine religiös begründeten Feiertage. Natürlich sind Religion und Tradition ebenfalls eng miteinander verbunden und so finden zu religiösen Feiertagen viele traditionelle Gebräuche einer christlich geprägten Gesellschaft statt, etwa zum Weihnachts- oder Osterfest, welche im Hinblick auf das Konsumverhalten auch für die Wirtschaft von großer Bedeutung sind.
Zudem gibt es noch andere Faktoren, die zeigen, dass gerade die katholische Kirche bzw. ein christliches Weltbild unseren Alltag prägen. Zu nennen wäre hier etwa das Kruzifix an der Wand, das nicht nur in vielen Betrieben zu finden ist, sondern in Schulklassen unter bestimmten Voraussetzungen noch immer gesetzlich angebracht sein muss.
Im Großen und Ganzen folgt der Feiertagskalender in Österreich den christlichen Kirchenfesten. Mitglieder anderer Glaubensgemeinschaften haben hingegen an Feiertagen ihrer Religion vielfach nicht frei.
Wie der Titel dieser Dimension des Diversity Managements bereits verrät, geht es hier nicht nur um klassische Religionen, sondern auch areligiöse, philosophische oder politische Weltanschauungen. Anschauungsunterschiede zu Ernährung, zu politischen Themen und Geschehnissen oder aber zu Rollenbildern können in Teams häufig viel größere Konflikte bedingen als klassisch religiöse Einstellungen. Auch hierfür sollten Betriebe sensibel sein.
Es gibt wohl wenige Themen innerhalb von Organisationen, über die so viel diskutiert wird, wie über das Essen. Gerade die Vorliebe für bestimmte Speisen, aber auch die Ablehnung von Lebensmitteln, die von bestimmten Personengruppen nicht gegessen werden, sind oft religiös bedingt und vielen Menschen wichtig. Hier können Arbeitgeberinnen bzw. Arbeitgeber jedoch leicht vorsorgen.
Ein wesentlicher Grundsatz in Österreich ist jener, dass das Gesetz auch über allen Religionen steht. Nicht überall auf der Welt ist dies der Fall. In zahlreichen Ländern gibt die Religion vor, was Recht und Unrecht ist. Auf einer moralischen Ebene tut sie dies sicherlich auch in Österreich, jedoch kann niemand in Österreich eine strafbare Handlung (beispielsweise das Schlagen von Frauen oder Kindern oder sogenannte „Ehrenmorde“) über seine Religion rechtfertigen.
Nicht außer Acht gelassen werden sollte auch der Aspekt, dass es für Unternehmen immer wichtiger wird, Menschen aller Religionen als Kundinnen und Kunden zu haben bzw. zu gewinnen. In vielen Bereichen sind die Religion und Weltanschauung hier kein einschränkender Faktor, sondern es wird vielmehr heutzutage zur Notwendigkeit, religiöse Unterschiede und Gepflogenheiten im Umgang mit Kundinnen und Kunden zu berücksichtigen. Nicht nur die aktive Wertschätzung, etwa an wichtigen religiösen Festen Glückwünsche zu überbringen, sondern auch das Anbieten konkreter Produkte und Dienstleistungen für Angehörige verschiedener Religionen – d.h. unter der Berücksichtigung ihrer jeweiligen religiös bedingten Vorlieben –, gehört dazu.
zum Seitenanfang
Herausgeber: brainworker – Vielfalt kommunizieren, Ziegelofengasse 31, 1050 Wien