Durch Migrationsbewegungen hat sich Österreich in den vergangenen Jahrzehnten demografisch verändert. Vor allem in den urbanen Ballungszentren ist die Vielfalt in sozialer, kultureller und ethnischer Hinsicht stark gestiegen.
Krisen unserer Nachbarländer, die „Gastarbeiterpolitik“, Österreichs EU-Beitritt, Grenz- sowie Arbeitsmarktöffnungen und die großen Flüchtlingsbewegungen der letzten Jahre führten zu verstärkten Zuwanderungsströmen.
Lebten in Österreich im Jahr 2008 rund 17,4 Prozent Menschen mit Migrationshintergrund, waren es im Jahr 2018 mit 2,02i Millionen Menschen bereits knapp 23 Prozent – das sind mehr als ein Fünftel der Gesamtbevölkerung.
Dabei steht außer Frage, dass Migration für Österreich eine demografische Notwendigkeit darstellt. Auch haben zahlreiche Unternehmen erkannt, dass der gezielte Einsatz von Menschen mit internationaler Herkunft und unterschiedlichen kulturellen Hintergründen Vorteile bringen kann. Der professionelle Umgang mit kultureller Vielfalt von Beschäftigten, sowie der wertschätzende Zugang zu Kundinnen und Kunden unterschiedlicher Herkunft ist in einer zunehmend globalisierten Wirtschaftswelt ein entscheidender Erfolgsfaktor geworden, will man die entsprechenden Kundenpotenziale nutzen.
Auch in Bezug auf den voranschreitenden Fachkräftemangel wird die Notwendigkeit qualifizierter Zuwanderung sichtbar. Ohne Migration von Arbeitskräften aus Drittstaaten würde laut Eurostatii die Erwerbsbevölkerung in der EU aufgrund der demografischen Entwicklung bis 2050 um 77 Millionen Erwerbstätige schrumpfen. Während das Fehlen von Küchen- und Servicepersonal in der Gastronomie bereits länger im öffentlichen Diskurs steht, spüren zunehmend auch weitere Branchen die Auswirkungen des Fachkräftemangels.
Die Sprach- und Kulturkenntnisse von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern können einerseits ein entscheidender Wettbewerbsvorteil im sogenannten „War for Talents“ um die besten Talente und internationale Fachkräfte sein und andererseits sind sie der Schlüssel zu neuen Märkten im In- und Ausland, wenn es beispielsweise darum geht, neue Kundengruppen ansprechen zu wollen.
Im Rahmen von Diversity Management kommt der Dimension „Herkunft und ethnische Zugehörigkeit“ daher eine wichtige und immer stärkere Bedeutung zu.
Migration und Integration gewinnen im unternehmerischen Kontext an Bedeutung, weil sich Kundenmärkte ebenso wie die Struktur der Belegschaft verändern. Aufgrund der fortschreitenden Globalisierung und der daraus resultierenden Pluralisierung wird die kulturelle Heterogenität unserer Gesellschaft, wie auch Kontakte zwischen Menschen verschiedener kultureller Werte und Normen, stark zunehmen. Um dem zu begegnen, wird interkulturelle Kompetenz als eine der wichtigsten Schlüsselkompetenzenvii unseres Jahrhunderts bezeichnet. Der professionelle und wertschätzende Umgang mit kultureller Vielfalt ist daher unumgänglich und birgt nicht zuletzt durch Mehrsprachigkeit und interkulturelle Kompetenzen ein großes Potenzial für Unternehmen in Österreich.
Die österreichische Unternehmenslandschaft sucht dringend nach Fachkräften. Aktuell besteht in vielen Branchen bereits jetzt ein ernstzunehmender Fachkräftemangel, der stetig steigt. Dieser wird aufgrund des demografischen Wandels vor allem in Bezug auf den konstanten Alterungsprozess unserer Gesellschaft noch zusätzlich verstärkt werden. Um den Kampf um die besten Talente („War for Talents“) für sich zu entscheiden, ist es wichtig, dass Unternehmen interkulturelle Kompetenzen entwickeln und gezielt am globalen Markt zu ihrem Vorteil nutzen.
Aus zahlreichen Studienviii geht hervor, dass kulturell gemischte Teams deutlich an Leistungsfähigkeit, Resilienz und Kreativität gewinnen. Sie bringen enorme Innovationskraft und Produktivität mit und steigern so die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens. Je unterschiedlicher die Ansätze und Denkweisen innerhalb eines Teams sind, desto erfolgreicher sind die Ergebnisse. Teammitglieder können so am besten voneinander lernen und sich gegenseitig neue Perspektiven eröffnen. Mit kulturell vielfältig zusammengesetzten Teams entsteht zudem ein Vorteil bei Kundinnen und Kunden.
In einer globalisierten Welt reichen bloße Englischkenntnisse längst nicht mehr aus. Geschäftspartnerinnen und Geschäftspartner, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wie auch Kundinnen und Kunden sind nicht mehr nur in Österreich, sondern auf dem gesamten Globus verstreut. Eine internationale Belegschaft mit vielfältigen Sprachkompetenzen und Kultur-Know-how ist in dieser Umgebung unerlässlich und für die Erschließung neuer Märkte von großem Wert. Dies öffnet Türen zu anderen Kulturen und macht das Unternehmen zu einem attraktiven Player am Weltmarkt.
Unternehmen, die sich kulturell öffnen, sich als weltoffene und moderne Unternehmen positionieren, profitieren von einem enormen Imagegewinnix. Darüber hinaus führt die Auseinandersetzung mit kultureller Vielfalt zur Steigerung der interkulturellen Kompetenzen im Unternehmen und damit zum Abbau von Vorurteilen und schlussendlich zu weniger Missverständnissen und kulturbedingten Konfliktenx.
Aktuell leben in Österreich rund 2,02 Millionen Menschen mit sogenanntem Migrationshintergrundxi (knapp 23 Prozent der Gesamtbevölkerung), wobei der Anteil regional stark unterschiedlich ist. Die Bundeshauptstadt Wien hat mit einem Anteil von 35 Prozentxii im Ausland Geborener den höchsten Wert in ganz Österreich. Hier ist auch der Anteil an Schülerinnen und Schülern mit nicht-deutscher Muttersprache mit 51 Prozentxiii am höchsten, gefolgt von Vorarlberg mit 26 Prozentxiii.
Während in den 1970er- und 1980er-Jahren die meisten Migrantinnen und Migranten aus dem ehemaligen Jugoslawien und der Türkei kamen, wurde Österreich zu Beginn des neuen Jahrtausends vor allem durch die Zuwanderung aus Ländern innerhalb der EU geprägt.
Mehr als die Hälfte aller Personen, die nach Österreich zuwandern, kommen aus der Europäischen Union. Durch die innereuropäische Personenfreizügigkeit können Bürgerinnen und Bürger aus der EU ihren Wohn- und Arbeitsort innerhalb der Union frei wählen, ohne dafür eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis zu benötigen. Dies führt zu einem stetigen Anstieg an EU-Bürgerinnen und EU-Bürgern in Österreich.
Betrachtet man den Zuzug der vergangenen Jahre, führen Menschen aus Deutschland, Rumänien und Ungarn die Statistik an. Die EU-Binnenmigration macht mit 9,3 Prozent (2018) den größten Anteil aus. Zugewanderte aus den Nachfolgestaaten Jugoslawiens (Serbien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Nordmazedonien und Montenegro) bilden die zweitgrößte Gruppe. Ihr Anteil entspricht rund 6,1 Prozent. Die drittgrößte Gruppe stellen Menschen mit türkischem Migrationshintergrund dar. Ihr Anteil lag 2018 bei drei Prozent und hat sich in den letzten zehn Jahren geringfügig verringert.
Abbildung 1 Quelle: STATISTIK AUSTRIA, Wanderungsstatistik, 2018
Zuletzt war die sogenannte „Flüchtlingskrise“ das zentrale Thema in Bezug auf Migration. Knapp 60 Millionen Menschen waren 2015 weltweit auf der Flucht und rund eine Million Flüchtlinge kamen nach Europa. In Österreich wurden im Jahr 2015 88.340 Asylanträge gestellt. Seit diesem Höchststand während der Flüchtlingskrise ist die Zahl bereits in den darauffolgenden Jahren stetig zurückgegangen.
Im Jahr 2019 wurden in Österreich bis Ende Juni rund 5.800 Asylanträge gestellt.
Abbildung 2 Fonds Soziales Wien: Flüchtlinge, Asyl und Grundversorgung, Juni 2019
Seit 1999 wurden in Österreich über 400.000 Asylanträge eingereicht. Im Jahr 2015, dem Jahr der sogenannten „Flüchtlingskrise“, waren es 88.340 Asylanträge.
Österreich hat Erfahrung als Aufnahmeland. Zwischen 1999 und 2014, also noch vor der Flüchtlingskrise, wurden bereits 329.651 Asylanträge eingebracht. Hohe Antragszahlen gab es beispielsweise in den Jahren 2001 bis 2005, mit einem Hoch im Jahr 2002 mit 39.354 Anträgen und zwischen 2006 und 2013.
Nur in den Jahren 1968 und Mitte der 1950er-Jahre flüchteten mehr Menschen als 2015 nach Österreich: So kamen in den Jahren 1956/1957 rund 180.000 Flüchtlinge aus Ungarn nach Österreich, nachdem die Sowjetunion den ungarischen Volksaufstand niedergeschlagen hatte.
1968 versorgte Österreich etwa 162.000 Flüchtlinge aus der damaligen Tschechoslowakei, nachdem die Truppen des Warschauer Pakts dort einmarschiert waren.xiv
Seit 2010 ist Magenta Telekom ein starker Partner von lobby.16 bei der Ausbildung geflüchteter Jugendlicher. Im Rahmen eines eigenen Programms zur Vorbereitung auf die Lehrjahre werden die betreuten Jugendlichen intensiv in Deutsch, Englisch, Mathematik und EDV qualifiziert sowie in zusätzlichen ausbildungsbezogenen Kursen auf die Lehre vorbereitet. Mit diesem Programm ermöglicht Magenta Telekom den Jugendlichen eine Lehre als Einzelhandelskauffrau/-mann mit Schwerpunkt Telekommunikation. Eine Begleitung während der Ausbildungszeit sichert den Erfolg des Programms. Über 30 Lehrlinge, knapp zehn Prozent der angebotenen Lehrstellen, haben seit Beginn der Zusammenarbeit mit lobby.16 diese Chance zur beruflichen Integration bekommen.
Um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihrer Arbeit zu unterstützen, gibt es zahlreiche Methoden und Hilfsmittel. Ein sehr effektives Tool ist die „Kulturkarte“ (Culture Map). Dieses Tool setzt sich aus acht Dimensionen zusammen und stellt die kulturellen Unterschiede im Verhalten von internationalen Managern dar. Die visuelle Darstellung macht einen Vergleich zwischen den Führungskräften aus unterschiedlichen Nationen möglich und hilft dabei, kulturspezifische Verhaltensmuster zu entschlüsseln und richtig zu deuten.
Das Ergebnis zeigt sich in den Unterscheidungsdimensionen Kommunikation, Bewertung, Überzeugung, Führung, Entscheidung, Vertrauen, Meinung und Planung. Für internationale Führungskräfte, aber auch für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in interkulturellen Teams, lassen sich diese Informationen gut nutzen, um kulturspezifische Unterschiede zu erkennen, zu deuten und entsprechend darauf zu reagieren.Im ÖBB Konzern arbeiten über 2.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus mehr als 70 Herkunftsländern. Um diese kulturelle und sprachliche Vielfalt zu nutzen und um kulturelle Themen anzusprechen, werden Veranstaltungen wie „Insight Africa“ in regelmäßigen Abständen organisiert oder auch Workshops zum Thema Interkulturelle Kompetenz angeboten. Darüber hinaus bietet die Sprachlernbörse die Möglichkeit voneinander zu lernen und sich interkulturell zu vernetzen. Kolleginnen und Kollegen mit verschiedenen persönlichen und kulturellen Hintergründen können einen Sprachaustausch (Tandem) selbstständig organisieren und sich im Sprachlernprozess unterstützen.
Abbildung 4 Lernspirale nach Dr. Darla K. Deardorff, 2006
Die Basis für den Kompetenzaufbau ist das Erlernen von angemessenen Verhaltensweisen in interkulturellen Situationen. Dabei ist es wichtig, persönlich für die Vielfalt von Kulturen offen zu sein, sich länderkundliches Wissen anzueignen und dieses in Abgleich mit dem eigenen kulturellen Verständnis zu bringen. Dadurch wird im Idealfall Empathie für das Empfinden und Handeln des Gegenübers entwickelt, was Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Lage versetzen würde, sich besser an kommunikative Spielregeln anzupassen. Interkulturelle Kompetenz ist ein fortwährender Lernprozess und dadurch niemals wirklich abgeschlossen. Alle Elemente der Lernspirale (siehe Abbildung 4) wirken wechselseitig aufeinander ein und werden durch mehrmaliges Durchlaufen der einzelnen Ebenen verstärkt.Im „Weltblick-Magazin“ von Internorm spiegelt sich wider, was es heißt, ein internationales Unternehmen zu sein: Mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus beinahe zwei Dutzend Nationen ergibt sich ein breites Spektrum an Kulturen. Im Magazin kommen in der Rubrik „Cultural Talk“ Beschäftigte zu Wort und berichten über ihr jeweiliges Heimatland, ihre Kultur und darüber, wie heimisch sie sich in Österreich fühlen. Um die farbenfrohe Vielfalt der Kulturen bei Internorm noch deutlicher zu machen, sind im „Weitblick“ auch Rezepte verschiedener Nationalgerichte abgedruckt.
Die Anforderungen an das Management sowie an Führungskräfte sind in den letzten Jahren massiv gestiegen: Durch die zunehmende Internationalisierung von Unternehmen und all ihre Unternehmensaktivitäten sowie die fortschreitende Digitalisierung und die damit einhergehenden technischen Möglichkeiten entstehen über den Globus verteilt immer mehr interkulturelle Teams, die es zu managen bzw. zu führen gilt.
Laut Studien sind heterogene, d.h. aus mehreren Nationalitäten zusammengesetzte Teams bei kompetenter Führung um ein Vielfaches kreativer, innovativer, deutlich zufriedener und finanziell erfolgreicher als kulturell homogene. Interkulturelle Teams arbeiten aber nicht automatisch besser, sondern brauchen eine Führung, die ihren Bedürfnissen angepasst ist. Kulturell homogene Teams, deren Mitglieder sich fachlich und persönlich ähnlich sind, sind oft schneller im Starten von Projekten und es kommt seltener zu Konflikten in der Zusammenarbeit. Heterogene Teams brauchen hingegen meist eine längere Projekt-Anlaufphase und es kann auch vorkommen, dass die Kommunikation innerhalb des Teams nicht auf Anhieb funktioniert.
Die Vorteile kulturell heterogener Teams können nur bei richtiger Führung zum Tragen kommen. Viele international agierende Unternehmen bieten ihren Führungskräften deshalb spezielle Trainings zur Erweiterung ihrer interkulturellen Kompetenzen an. Wesentliche Bestandteile eines Trainings zu „Intercultural Leadership“ bzw. „Interkulturelle Führung“ sind neben entsprechendem Fachwissen auch konkrete Werkzeuge, Methoden, Tools und Handlungsempfehlungen zur effizienten Führung von gemischten Teams.
Durch die Vielzahl ihrer Aufgaben haben Führungskräfte oft nicht ausreichend Gelegenheit, das Handeln ihrer Teammitglieder sowie das eigene Handeln in Bezug auf die kulturelle Vielfalt des Teams zu reflektieren. Zusätzlich zu Intercultural Leadership-Trainings ist es daher ratsam, Führungskräfte auch „on the job“ zu unterstützen. Beispielsweise könnte dies im laufenden Arbeitsprozess angesichts von konkreten ethnisch und kulturell-religiös bedingten Problemstellungen durch Coachings erfolgen.
MTOP ist ein junges Sozialunternehmen. Es bringt geflüchtete Menschen mit guter Ausbildung und passende Unternehmen am österreichischen Arbeitsmarkt zusammen. Im Rahmen dieser „Win-win-Situation“ werden vielfältige Möglichkeiten von Integration aufgezeigt und Führungskräfte im Umgang mit Diversität geschult. Im Rahmen von erlebnisorientierten Entwicklungsprogrammen für Unternehmen haben Führungskräfte die Möglichkeit neue kulturelle Perspektiven einzunehmen und die Führung interkultureller Teams zu erlernen.
Die Wiener Staatsoper lässt seit den 1950er-Jahren Bewerberinnen und Bewerber hinter einem Vorhang spielen, um Geschlecht und ethnische Zugehörigkeit zu verbergen. Alle Kandidatinnen und Kandidaten starten mit denselben Voraussetzungen und müssen die Jury, welche sie nur nach Gehör bewertet, ausschließlich durch ihre Qualifikationen überzeugen. Durch diese einfache Maßnahme werden Bevorzugungen oder Benachteiligungen wegen des Geschlechts oder der Herkunft vermieden.
Zahlreiche Unternehmen nutzen bereits die Chance auf einen größeren Pool an Kompetenzen und Talenten durch die Ausweitung der Recruiting-Zielgruppen. Dieses Vorgehen bringt eine breitere Vielfalt innerhalb der Mitarbeiterstruktur, internationale Talentbeschaffung und die Stärkung bereits bestehender Kompetenzen im eigenen Unternehmen mit sich.
Gerade in Bezug auf den fortschreitenden Mangel an gut ausgebildeten Fach- und Führungskräften ist es für den Erfolg eines Unternehmens wichtig, Menschen mit großem Entwicklungspotenzial – abseits von (unbewussten) Vorurteilen – zu erkennen, zu erfassen und entwickeln sowie dauerhaft an sich zu binden. Immer mehr Unternehmen fokussieren dabei auf die Anwerbung internationaler Talente oder auf die zielgerichtete Ausbildung heimischer Arbeitskräfte – wie z.B. Menschen mit Migrationshintergrund, welche bislang noch zu wenig Beachtung in Recruiting-Strategien gefunden hatten.
Unconscious Bias sind verhaltenswirksame Tendenzen in der Beurteilung von Menschen und Situationen, die auf unbewusste Wahrnehmungs- und Lernmechanismen zurückgehen. Über 170 unterschiedliche Wahrnehmungsverzerrungen („Biases“) sind wissenschaftlich bereits erforscht.
Besonders bei Personalentscheidungen können Vorannahmen mitunter dazu führen, dass Menschen aus demselben oder einem ähnlichen Kulturkreis bevorzugt werden, und umgekehrt Menschen, mit stark abweichenden Merkmalen, etwa einer anderen Hautfarbe, benachteiligt werden, ohne dass es dafür einen objektiven oder subjektiv bewusst wahrgenommenen Grund gibt.
58 Prozent der CEOs der Forbes-Top-500-Betriebe sind über 1,83 m groß. Aber nur 14,5 Prozent aller US-amerikanischen Männer weisen diese Größe auf. Nur sechs Prozent der CEOs der Forbes-Top-500-Unternehmen sind Frauen. Nur ein Prozent der CEOs des Forbes-Rankings hat eine dunkle Hautfarbe, darunter keine einzige Frau.xxi
Zufall? Wohl eher nicht, sondern vermutlich ein Ergebnis unbewusster Vorannahmen über die Kompetenzen und Leistungsfähigkeit von Menschen unterschiedlicher ethnischer Zugehörigkeit.
Damit Entscheidungen im Bewerbungsprozess möglichst objektiv getroffen werden, müssen neben personellen vor allem auch strukturelle Faktoren berücksichtigt werden.
Da Vorurteile zumeist im Verborgenen wirksam sind, ist es ratsam, sich darum zu bemühen, sie ins Bewusstsein zu heben und sich damit auseinanderzusetzen. Denn es ist wichtig, die ihnen zugrunde liegenden Mechanismen zu erkennen, um den eigenen Vorurteilen regelmäßig bewusst begegnen zu können, diese zu akzeptieren oder Ansichten gegebenenfalls zu verändern. Nur so kann sich Chancengleichheit nach und nach entwickeln.
Um unbewussten Vorurteilen im HR-Prozess entgegenzuwirken, gibt es zahlreiche Maßnahmen und je nach Unternehmen unterschiedliche Zugänge. Dabei gilt es aber stets die folgenden vier Grundsätze zu beachten:
Analysieren Sie alle Schritte Ihres HR-Prozesses, vor allem jene, in denen Entscheidungen getroffen werden und dabei Diskriminierung ungewollt passieren kann.
Gestalten Sie die identifizierten Prozessschritte nach formalen Kriterien und Richtlinien, damit diese vergleichbar werden.
Nehmen Sie sich Zeit für eine intensive Nachdenk-Phase und binden Sie Ihre Kolleginnen und Kollegen ein, indem Sie sich z.B. Rat holen oder Ihre Entscheidung mit ihnen besprechen.
Ist Ihre Entscheidung getroffen, dürfen Sie auch dazu stehen. Machen Sie Ihre Entscheidung sichtbar und nachvollziehbar für Ihr Team.
Vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus unterschiedlichsten Kulturkreisen fallen Entscheidungen im Alltag besonders schwer: z.B. eine passende Kinderaufsicht zu finden, Amtsbesuche zu erledigen, die Pflege von Angehörigen zu organisieren etc. Daher hat SIMACEK 2015 die betriebliche Sozialberatung in Zusammenarbeit mit der Caritas Wien entwickelt und als integrierten Lösungsansatz im eigenen Diversitätsmanagement etabliert. Pro Jahr werden etwa 300 bis 400 Beratungsstunden durch die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter der Caritas in Anspruch genommen. Außerdem gibt es bei SIMACEK kostenfreie Deutschkurse am Arbeitsplatz und eine eigens für die Belegschaft entwickelte Sprachen-App in 18 verschiedenen Sprachen.
Im Diversity Management gelten Mitarbeiternetzwerke seit vielen Jahren als Erfolgsfaktor. Bekannt sind vor allem Frauennetzwerke, die Mitarbeiterinnen helfen sollen, sich untereinander zu vernetzen und beruflich besser voranzukommen. Zunehmend schließen sich aber auch andere Gruppen zusammen und so gibt es z.B. Generationennetzwerke oder Netzwerke für Menschen bestimmter Herkunft.
In Mitarbeiternetzwerken schließen sich Personen mit gleichen Interessen, Fähigkeiten oder Anliegen zusammen und entwickeln neue Ideen oder initiieren und realisieren Projekte im Sinne des Unternehmens. Dadurch etablieren sich ungezwungene Plattformen zwischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die aus den verschiedensten Bereichen kommen und unterschiedlichste sozio-kulturelle Hintergründe haben.
Da diese Netzwerke in den meisten Fällen von Personen mit Migrationsgeschichte ins Leben gerufen werden, existiert innerhalb der Gemeinschaft u.a. eine große Expertise über die Bedürfnisse und Lebensweise von jeder dort vertretenen sozialen Gruppe. Das Netzwerk als strategischer Partner des Personalbereichs trägt damit unter Umständen dazu bei, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem Unterschiede und die vielfältigen Lebensansätze der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter begrüßt und geschätzt werden. Gut organisierte Netzwerke engagieren sich für die Anliegen unterrepräsentierter Gruppen und verbinden Menschen über Abteilungen hinweg, bieten die Möglichkeit, voneinander zu lernen, und entwickeln neue Lösungen.
Stattet man diese Netzwerke mit personellen, räumlichen, zeitlichen und/oder finanziellen Ressourcen aus, ergeben sich für Unternehmen einige Vorteile: Durch die aktive Unterstützung des interkulturellen Austausches zwischen den Beschäftigten entsteht durch die Sichtbarkeit der individuellen kulturellen Identitäten ein Gefühl der Wertschätzung untereinander und füreinander. Dies führt zu höherem Engagement und Loyalität. Darüber hinaus gewinnen Unternehmen wertvolle und motivierte Multiplikatorinnen und Multiplikatoren in allen Geschäftsfeldern – vom Recruiting bis zur Produktentwicklung.
Microsoft glaubt an die Perspektivenvielfalt und den Erfolg, den die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufgrund ihrer unterschiedlichen Erfahrungen ins Unternehmen einbringen. Um die Vielfalt und Inklusion zu fördern, unterstützt Microsoft daher eine umfangreiche Community von acht globalen Employee Resource Groups (ERG) und 40 weiteren Mitarbeiternetzwerken.
Diese einzigartigen Gruppen bieten Karriereentwicklungs- und Networking-Möglichkeiten sowie Aktivitäten, die das Engagement der Community und das Bewusstsein zu kulturellen Identitäten fördern. So gibt es globale Gruppen, die speziell auf die ethnische Herkunft – wie z.B. Personen mit schwarzer Hautfarbe (Blacks@Microsoft), Asiaten (Asien ERG) oder Latinos (HOLA) – fokussieren. Darüber hinaus gibt es noch weitere Gruppen für Eltern, aktuelle und ehemalige Militärangehörige, Menschen mit Behinderung, Frauen und die LGBTIQ+ Community.
In Österreich leben aktuell mehr als zwei Millionen Menschen mit Migrationshintergrund. Das heißt, dass jede fünfte Person in Österreich ursprünglich aus einem anderen Kulturkreis kommt bzw. eine andere kulturelle Prägung erfahren hat. Die Bedürfnisse von Kundengruppen können generell stark variieren, umso mehr ist davon auszugehen, dass zugewanderte Menschen unter Umständen sogar größeren Bedarf an individuellen Produkten oder einer spezifischen Ansprache haben, welcher nicht jenem der Mehrheitskultur entspricht.
Ein Ansatz zur Erschließung dieser Kundengruppen ist Ethnomarketing. Mit dem Begriff ist im weitesten Sinne ein zielgruppenspezifisches bzw. ein kulturspezifisches Marketing für Zielgruppen unterschiedlicher ethnischer Herkunft gemeint. Enger gefasst kann Ethnomarketing auch als ethnische Marktsegmentierung gesehen werden.
Menschen mit Migrationshintergrund werden dabei bewusst in den Mittelpunkt unternehmerischer Aktivitäten gestellt. Dabei geht es darum, kulturelle Besonderheiten und Bedürfnisse zu (er-)kennen und diese in der Kommunikation gezielt einzusetzen. Im Gegensatz zur Mehrheitsbevölkerung muss daher beim Ethnomarketing darauf geachtet werden, dass kulturelle (Religion, Werte, Normen, Einstellungen etc.) und nationale Besonderheiten sowie Lebensweisen berücksichtigt werden und integraler Bestandteil der Marketing-Strategie sind.
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